Geschmackssinn und Grundgeschmack – Alles, was ihr wissen müsst

Aus dem Buch “Aroma” von Thomas Vierich und Thomas Vilgis, erschienen im Verlag Stiftung Warentest. 

“Ich kann überhaupt nichts schmecken!” Bei Schnupfen, Erkältung oder wenn man sich einfach nur die Nase zuhält, hat das vermutlich schon jeder von uns mal behauptet. “Geschmack” ist sicherlich eines der am häufigsten falsch verwendeten Wörter, wenn es um Essen und Trinken geht. Denn wenn man das Gefühl hat nichts zu schmecken, ist meistens nur das Riechvermögen eingeschränkt. Häufig sprechen wir bei Geschmack vom gesamten Genuss und Erlebnis einer Speise, dabei wird Geschmack nur mit der Zunge wahrgenommen, Aromen oder Duftstoffe jedoch mit der Nase. Ist die verstopft, fehlt der Gesamtgenuss, aber nicht der Geschmack.

Die Grundgeschmacksrichtungen

Bislang gibt es fünf nachgewiesene Grundgeschmacksrichtungen: süß, sauer, salzig, bitter und umami. Wenn man sich die Nase zuhält, können diese fünf Geschmacksrichtungen trotzdem noch in einer Speise geschmeckt werden. 

Reize, die man beim Essen wahrnimmt, wie scharf, heiß, kalt, beißend, prickelnd, oder adstringierend (pelziges Mundgefühl), sind keine Geschmacksreize, sondern eigentlich “Schmerzen”. Die Schmerzrezeptoren werden gereizt und die Signale des dabei angesprochenen Trigeminusnervs tragen ebenso zum Genuss bei.

Erst 2011 wurde nachgewiesen, dass die menschliche Zunge auch über Rezeptoren für “fett” beziehungsweise für Fettsäuren verfügt. Bislang konnte allerdings nicht geklärt werden, ob diese Signale auch an das Gehirn weiter geleitet werden. Außerdem wird aktuell diskutiert, ob es im Mundraum Rezeptoren für “Wasser” beziehungsweise “wässrig” gibt. Das wären dann insgesamt sogar sieben Grundgeschmäcker. 

Geschmack und Temperatur

Die Intensität eines Geschmacks ist von der Temperatur abhängig. Salzig und süß verstärken sich tendenziell unter Temperaturerhöhung, sauer und bitter nehmen eher ab. Diese Effekte bestimmen also das Würzen und können bei der Zubereitung beachtet werden. Außerdem heben kräftige Warm-Kalt-Kontraste den Genuss, da sie unser sinnliches Erlebnis um eine weitere Dimension erweitern. Die Temperatur muss dabei nicht einmal echt sein: Die Inhaltsstoffe von Gewürzen wie Kampot Pfeffer oder Minze regen exakt die gleichen Empfindungen an, welche durch Hitze beziehungsweise Kühle verursacht werden. (Bsp: Pfefferminztee)

Scharf ist kein Geschmacksreiz

Die Empfindung für Schärfe, wie sie etwa von Pfeffer, Chili oder Ingwer vermittelt wird, ist keine Geschmacksqualität, sondern ein Schmerzreiz – genauso wie die kühlende Wirkung von Minze. Wahrgenommen wird sie von den Enden des Trigeminusnervs, dessen Nervenendigungen sich im gesamten Mundraum befinden. Die vielfältigen Schmerzrezeptoren reagieren neben Temperaturunterschieden oder Verletzungen auch auf bestimmte Moleküle. Einige davon sind uns vielleicht ein Begriff: Das Capsaicin in Chili, das Gingerol im Ingwer, das Menthol in Pfefferminze oder das Piperin im Pfeffer. Ein kleines Experiment kann unsere Geschmacksrezeptoren ganz schön durcheinander bringen: Trinkt man eine heiße Schokolade, der zusätzlich durch Pfefferminze Menthol beigefügt wurde, vermitteln die Rezeptoren dem Gehirn, dass es sich um ein heißes Getränk handelt. Die Rezeptoren für Menthol hingegen signalisieren auch eine kühlende Wirkung. Einfach mal ausprobieren und dem eigenen Geschmackssinn einen Streich spielen! Die körperlichen Reaktionen, die mit dem Reizen des Trigeminusnervs einhergehen, können gewisse Stimmungen auslösen und den Genuss steigern.

Adstringenz

Wer kennt es nicht? Man isst Walnüsse, genießt eine Schokolade mit hohem Kakaoanteil, trinkt einen grünen Tee oder gerbstoffreichen Rotwein und zurück bleibt ein pelziges Gefühl im Mund. Dieses Phänomen ist auf die Wirkung der enthaltenen Gerbstoffe auf die Proteine zurückzuführen, die im Speichel dafür verantwortlich sind, dass dieser seine physikalische, “schleimige” Struktur behält. Solange die Proteine einzeln fein im Speichel verteilt sind, nimmt man den Speichel als angenehme Flüssigkeit wahr. Verbinden sich durch die Gerbstoffe nun viele Proteine zu größeren Ansammlungen, entsteht ein anderes Fließverhalten des Speichels. Das zusammenziehende Gefühl auf der Zunge wird dann ebenfalls vom Trigeminusnerv wahrgenommen und übermittelt. 

Die Textur von Lebensmitteln

Als Textur versteht man alle Effekte, die von der physikalischen Struktur der Lebensmittel ausgehen. Härte, Wassergehalt oder Cremigkeit sind einige der Parameter, die die Textur definieren. Speisen bestehen meist aus verschiedenen Komponenten und ihre Duftnoten und Geschmacksstoffe werden freigegeben, wenn man daraufbeißt und die ihre Textur so erfährt. Die Textur einer Speise hat demnach einen Einfluss auf ihren Geschmack, ihr Aroma und das Gefühl, das sie im Mund erzeugt. Genau deshalb genießen wir es, eine Zuckerwatte zu essen, finden das Lutschen von drei Stück Würfelzucker jedoch weniger genussvoll. Genussvoll wird das Pastaessen hingegen, wenn Pasta und Soße in ihrer Textur aufeinander abgestimmt werden, sodass die Sauce bestmöglich an der Pasta hängenbleibt. Wie schnell der Geschmack von Lebensmitteln wahrgenommen wird, liegt wiederum an ihrer Textur und ihren mechanischen Eigenschaften. Eine Panna cotta zum Beispiel gibt ihren Geschmack und Duft erst Preis, wenn sie gekaut wird. Wir speichern in unserem kulinarischen Gedächtnis nicht nur den Geschmack von Lebensmitteln, sondern auch ihre Textur, weshalb es uns schwer fällt, einen Geschmack zu erkennen, wenn das Lebensmittel in einer veränderten Textur präsentiert wird.  

Geschmacksmodulation: Mundfülle – Kokumi

“Kokumi” kommt aus dem Japanischen und lässt sich am treffendsten mit “Mundfülle” übersetzen. Panna cotta, Pasta bolognese oder eine lange gekochte Hühnerbrühe kennzeichnen sich durch eine lange Kochzeit und eben eine große Mundfülle. Betrachten wir erneut die molekulare Ebene: Durch das lange Kochen zerfallen die Proteinketten der Lebensmittel in kleinere Teile. Die so entstehenden Gamma-Glutamylpeptide bestehen aus zwei oder drei Aminosäuren und einer Glutaminsäure, die auf mysteriöse Weise wahrgenommen werden. Wie genau ist bis heute nicht bekannt, jedoch ist man sich sicher, dass die Peptidstücke aus einer Kombination von Aminosäuren unterschiedlicher Löslichkeit bestehen, nämlich Fett und Wasser. Die Proteinbruchstücke schmecken selbst nicht, stimulieren jedoch den Gesamteindruck aller Sinnesreize und deren Intensität (Textur, Geschmack, Duft, Empfinden). Nicht nur durch langes Erhitzen kann der “Kokumi”-Effekt eintreten. Auch Fermentation, Enzyme, pH-Wert-Änderungen oder lange Reifezeiten beim Käse können dieses Geschmackserlebnis hervorrufen. Deshalb kann Parmesan vermeintlich langweiligen Pastagerichten eine Mundfülle herbeizaubern. Das klingt zugegebenerweise alles nach komplizierter Physik und Chemie, im Grund sind solche Würztechniken jedoch schon seit Jahrhunderten als Standard bekannt und sorgen in der Küche für eine Geschmacksintensivierung. Zwar konnte der Mensch schon immer genießen, die neuen Erkenntnisse aus der Molekularforschung machen es uns aber zusätzlich möglich, den kulinarischen Effekt unseres Essens zu erklären. 

Erkenntnisse

Mit diesem Wissen lässt sich erahnen, worin die Unterschiede zwischen “einfacher” und “gehobener” Küche bestehen: Je mehr Dimensionen ein Koch erreicht, desto größer das AHA-Erlebnis. Spielt er mit Texturen, Temperaturen, Geschmacksrichtungen, Reizen und Aromen, kann er wahre Kunstwerke auf den Teller zaubern. Das heißt nicht, dass einfache Küche nicht auch phantastisch schmecken kann. Man versteht allerdings etwas besser, warum Sterneköche zurecht als Künstler bezeichnet werden.

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2. Oktober 2022
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