Umami, Glutamat und Bone-Broth

Von Prof. Thomas Vilgis. Aus einem Gastbeitrag im Buch “Asia Street Bowls” von Heike und Stefan Leistner.

Umami, Glutamat und Bone-Broth

Umami ohne Ende

Was in Asien schon lange bekannt ist, wird in europäischen Lehr- und Kochbüchern erst seit einigen Jahren thematisiert: der fünfte unabhängige Geschmack, Umami. Bezeichnet als herzhaft und wohlschmeckend, grenzt er sich von den weitaus bekannteren Geschmacksarten süß, sauer, salzig und bitter ab. Glutamat, Fisch-und Sojasaucen, aber auch andere Würzmittel besitzen diese Geschmacksrichtung, die es schafft, ganze Hirnregionen in Euphorie zu versetzen.

Umami in der Kulturgeschichte des Kochens

Bevor Feuer von der Menschheit zum Kochen genutzt wurde, gab es lediglich zwei Grundformen von Nahrung: Rohkost und Vergorenes. Die Entscheidung ob ein Nahrungsmittel essbar war erfolgte über den Geschmack: Süß war (und ist) nie giftig, sauer ist meist sicher, salzig deutet auf Mineralien hin, und von bitter schmeckender Nahrung hält man sich besser fern. Als Menschen anfingen ihr Essen zu kochen, war Nahrung nun keimfrei und bot mehr Sicherheit. Durch den Kochvorgang verändert sich die molekulare Struktur, Lebensmittel werden essbarer, die Verdaulichkeit verbessert – und aufgrund teils langer Garzeiten stellte sich ein neuer Geschmack ein: umami. Hinzu kommt auch kokumi, ein vollmundiger Geschmack wie bei reifem Käse oder lang gekochten Eintopfgerichten. Umami entsteht nach sehr langen Hitzeeinwirkungen durch die Proteine in Bruchstücke (Peptide) und Aminosäuren zerlegt werden. Dabei wird auch Glutaminsäure frei, eine in Proteinen reichlich vorkommende Aminosäure, die die Zunge “auf umami” reizt. Das ist Glutamat. Der wohltuende und herzhafte Geschmack entsteht besonders intensiv beim Kochen von rohem, kaum essbarem wie durchwachsenem, sehnenreichem Fleisch, harten Wurzeln oder Urformen von Getreiden. Die Angst vor Glutamat ist also völlig unbegründet und die beim Chinarestaurant-Syndrom auftretenden Beschwerden müssen einen anderen Ursprung haben.

Aminosäuren und Geschmack

Die Geschmacksrichtungen süß und umami wecken positive Assoziationen. Süß deutet auf Glucose, also den Treibstoff der Zellen hin, umami auf Glutaminsäure und somit auf das Vorhandensein von lebenswichtigen Proteinen. Außerdem erweist sich die Glutaminsäure als sehr hitzestabil und bildet beim Backen oder Braten keine toxischen oder schädlichen chemischen Verbindungen. Es ist also kein Zufall, dass unsere Zungen auf Glutamathaltige Lebensmittel ähnlich positiv reagieren wie auf Süßes. Das zu Unrecht verpönte Glutamat dient einem ähnlichen Zweck wie raffinierter Zucker, gereinigtes Salz, oder Säuren. Bei Kontakt mit dem Gaumen wird die Grundgeschmacksrichtung umami sofort ausgelöst, daher ist es auch unsinnig von Geschmacksverstärkung zu sprechen. Seit tausenden von Jahren werden in den unterschiedlichsten Kulturen fermentierte Fischsaucen, Misopasten, lang geschmorte Saucen aus Fleisch, Zwiebeln, Pilzen und Tomaten produziert und gekocht, die als Umami-Explosionen gelten. Der “Unterschied” zwischen “künstlichem” und natürlichem Glutamat ist offensichtlich: die Molekularstruktur der Glutaminsäure ist in beiden Fällen identisch und löst identische Empfindungen auf den Geschmacksrezeptoren aus.

Bone Broth: umami und kokumi

Die diversen Heilversprechen rund um die Brühe aus Knochen und Fleischabschnitten, heute auch gerne “Bone-Broth” genannt, sind definitiv Unsinn. Straffe Haut wegen des Kollagens beispielsweise, wird für immer Wunschdenken bleiben, denn natürlich werden aus Knochen gelöste Bindegewebe bzw. deren Gelantinebruchstücke nach dem Trinken nicht vom Menschen zurücksynthetisiert, um Haut und Knochen zu stärken. Die sensorische Würzkraft jedoch, ausgelöst durch die freie Glutaminsäure ist nicht zu verleugnen und resultiert in einer schmackhaften Brühe oder Sauce. Der größte Glutaminsäureproduzent ist im Übrigen der menschliche Darm. Proteinspaltende Enzyme haben täglich damit zu tun, jedes mit der Nahrung aufgenommene Protein in seine einzelnen Aminosäuren (darunter jede Menge Glutaminsäure) zu spalten um sie im Körper dorthin zu schicken, wo sie gebraucht werden – zum Beispiel ins Hirn, zum Denken. Glutamat ist ein wesentlicher Baustein aller Proteine und wären Menschen allergisch gegen Glutaminsäure, wären sie nicht lebensfähig.

Das kulinarische Dreieck

Der französische Ethnologe Claude Levi-Strauss beschrieb in seinem “kulinarischen Dreieck” den Übergang von Natur zu Kultur. Aus der Natur stammt das “Rohe”. Der Mensch stellt daraus das “Gekochte” her, während, wenn man das Nahrungsmittel der Natur überlässt, das “Verfaulte” entsteht. Wird der Zersetzungsprozess jedoch kontrolliert ausgeführt, entsteht das “Fermentierte”. Im rohen Zustand liegen die Moleküle in Lebensmitteln in ihrer ursprünglichen Struktur vor. Wird das “Rohe” zum “Gekochten”, entfalten sich durch die erhöhte Temperatur die Proteinmoleküle – die Textur der Lebensmittel verändert sich. Bei der Fermentierung von Lebensmitteln werden Proteine nach und nach über die Mikroorganismen von Enzymen in Bruchstücke zerlegt. Einzelne Aminosäuren, wie die Glutaminsäure die für umami (herzhafter Wohlgeschmack) sorgt, und Bruchstücke aus zwei oder drei Aminosäuren, die für kokumi (Mundfülle) verantwortlich sind, werden freigesetzt. Fermentierte Saucen, Fisch- und Sojasaucen oder lang gekochte Fond- oder Sauceansätze, schmecken daher entweder durch Fermentierungsprozesse oder langes Kochen herzhaft (umami) und sind mundfüllend (kokumi).

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2. Oktober 2022
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